Rasseportrait
Der Cavalier-King-Charles-Spaniel
Ein königlicher Kumpel
Er hat den unwiderstehlichen Charme eines Welpen,
die Größe einer Aktentasche, die Sportbegeisterung
eines Jagdhundes und die Anhänglichkeit eines
Schattens. Kurz gesagt: Das Ideal eines Königs ist
ein Hund wie aus dem Bilderbuch.
Leicht ist es nicht, in der verwickelten Geschichte des Cavalier-King-Charles-Spaniels
Dichtung, Legende, Wunsch und Wahrheit auseinander zu halten, ja es ist oft unmöglich.
Wo und wann in Europa der kleine Toy-Spaniel entstanden ist, ob er sich von Anfang
an eigenständig neben dem großen Jagdspaniel entwickelt hat, oder ob Züchter in
Spanien, Italien,Frankreich oder Holland irgendwann anfingen, die Spaniels gezielt klein
zu züchten, kann heute niemand mehr mit Sicherheit sagen.
Es gibt mehrere voneinander abweichende Theorien, die sich nur in einem Punkt einig
sind: Der Toy-Spaniel ist nicht erst im 17.
Jahrhundert im England Charles II.entstan-
den, sondern lange vorher auf dem Konti-
nent. Irgendwann tauchten die kleinen Spa-
niels dort auf, bzw. begannen sie, Lieblinge
der Herrschenden zu werden und damit
"öffentlich". Wer sich z.B. Tizians berühm-
tes Gemälde der "Venus von Urbino" von
1538 an sieht, findet neben der hinge-
streckten Schönen einen kleinen Hund auf den Kissen, der gern als einer der ersten
"dokumentierten" Toy-Spaniels zitiert wird. Der gleiche Hund liegt auch auf dem 1536/37
entstandenen Tizian-Portrait der Herzogin von Urbino auf einem Kissen im Hindergrund -
und rückt auf späteren Bildern sogar in den Mittelpunkt.
Königs Liebling war ein Cavalier
Geht man davon aus, daß Herscher
in jener Zeit sicher nicht zusammen
mit einem Hund ihres Malers für die
Ewigkeit festgehalten werden wollten,
sondern jedes einzelne Detail des Ge-
mäldes den Status der Person unter-
stützte und eine Botschaft für den Be-
trachter war, dann kann man daraus
schließen, daß der kleine Hund damals
in höfischen Kreisen ein sehr begehrter
Begleiter war und als Status-Symbol
eingesetzt wurde.
So wie in Italien taucht der kleine Spaniel auch bald auf sehr vielen Portraits des
französischen Hofes auf und dies über 100 Jahre lang. In England ist er bereits 1554 zum
erstenmal dokumentiert: Mary I.,
Tochter von Heinrich VIII., ließ
sich mit Ihrem Ehemann, Philip
von Spanien und zwei kleinen
Spaniels malen. Anna von Cleve,
kurzfristig vierte Frau Heinrichs
VIII., soll solche Hunde mit nach
London gebracht haben.Und von
dem kleinen schwarz-weißen
Hund, der sich bei der Hinrich-
tung Maria Stuarts 1587 unter ihren Röcken versteckt hatte, wird gesagt, daß sie ihn aus
Frankreich mitgebracht haben soll.
Egal in welchem Land, an welchem
Königshof: Cavalier-King-Charles-
Spaniel im heutigen Sinne waren das
alles noch nicht: Diese kleinen Hunde,
den Tizian immer wieder gemalt hat,
wurde das Vorbild für den Standard
des kontinentalen Zwergspaniels, des
Papillon/Phalene, und ist diesem im
Aussehen auch wirklich sehr viel
näher als dem modernen Cavalier.
Vom Comforter zum Königshund
Spaniels waren/sind gute Jagdhunde, mit hervorragender Nase, Begeisterung für Wasser
und die Arbeit mit ihrem Menschen. Toy-Spaniel aber machen sich mit einer völlig anderen
Dienstleistung bei ihren Menschen unent-
behrlich: als lebende Wärmflasche! Wie-
so, hat Dr.Johannes Caius, Leibarzt von
Königin Elizabeth I. (1533-1603) in sei-
nem berühmten Buch über Britanniens
Hunde sehr genau beschrieben: "Es ist
noch eine andere Rasse hochgezüchteter
Hunde unter uns, eine kleine Rasse und
nur gesucht als Luxusspielzeug für
Frauen. Je kleiner sie sind, desto will-
kommener sind sie für den Zweck, auf dem Busen, im Schlafzimmer oder auf den Händen
auf der Ausfahrt getragen zu werden. Sie haben keinen nutzen, nur daß sie auf dem Magen
getragen oder auf der Brust eines Kranken hin- und herbewegt werden des Unterschiedes
der Temperatur, gut für die Verdaung sind. "Mit anderen Worten, die so liebevollen, ge-
duldigen, kuscheligen kleinen Hunde wurden als vorbeugende Gesundheitsmaßnahme aus-
gegeben oder sogar als Heilmittel eingestuft. Dr. Clarius bezeichnete diese Hunde, die
"an die Gesellschaft der Männer und Frauen mit Titel gewöhnt sind" als "Comforter"
(Tröster) oder "Spaniel gentle".
Wie sie aussahen, kann nur vermutet werden, denn jeder Lord oder Duke züchtete, falls
das überhaupt bewußt geschah, nach seinem eigenen Geschmack. Beschreibungen von
Zeitgenossen sprechen zu Beginn des 17. Jahrhunderts von kleinen Hunden mit Spaniel-
Charakteristika, dem Aussehen nach aber eher Mischlingen. Schaut man sich jedoch die
Bilder an, die Anthonis van Dyck ab 1632 als königlicher Hofmaler von der Familie
Charles I. malte, erkennt man dort perfekte kleine Spaniels.
Charles I. (1600-1649) und noch mehr
Sohn Charles II. (1630-1685) waren
geradezu vernarrt in ihre Hunde.
Charles I. soll nach dem Tagebuch eines
Augenzeugen vor seiner Hinrichtung Sorge
getragen haben, daß seine Liebling "Rogue"
in Sicherheit gebracht wurde. Ein anderer
Zeitgenosse berichtet dagegen, daß "Rogue"
auch nicht von der Seite seines Herrn wich,
als dieser durch den Park von Whitehall zum
Blutgerüst geführt wurde. Einer der Soldaten
dort soll sich den Hund geschnappt und noch
am gleichen Abend gegen Geld ausgestellt
haben. Was dann weiter mit dem armen
"Rogue" geschah, ist nicht bekannt.
( Charles I. bei der Jagd)
Charles II., der 1660 aus dem Exil zurückkehrte, wurde so gut wie nie ohne
seine Hunde gesehen. Er nahm sie überall hin mit, auch zu Staatsempfängen, ins Parlament
oder in die Kirche, was zu dem Gerücht führte, daß er seinen Hunden sogar per Gesetz
Zutritt zu allen Räumen des Landes sicherte. Ein Kritiker notiert 1666 wütend nach einer
Staatsratsitzung: "Alles was ich sah, war die Albernheit des Königs, der die ganze Zeit mit
seinen Hunden spielte und kein bißchen bei der Sache war!" Und selbst Hundefreunden
wurde es in Hampton Court bisweilen zuviel, was man versteht, wenn man bedenkt, daß
Hundeerziehung im heutigen Sinn damals unbekannt war, sprich: die Tiere waren alle nicht
stubenrein. So schrieb John Evelyn: "Der König hatte Freude daran, wenn ihm eine ganze
Zahl der kleinen Spaniels ständig folgte, wenn sie in seinem Schlafzimmer lagen und die
Hündinnen dort ihre Welpen hatten, doch das erwies sich als sehr widerwärtig und bald
stank der ganze Hof."
Charles II. züchtete selbst mit seinen Lieblingshunden und hatte in und um London mehrere
Außenstellen. Von jedem Wurf dort suchte er sich Tiere aus, die er persönlich behielt,
viele wurden als königliches Zeichen der Wertschätzung verschenkt, andere Verkauft. Es
gab wohl kein Schloß in England ohne diese Spaniel von King Charles. Und so wurden
sie von nun an auch genannt: King-Charles-Spaniel, oder einfach "Charlies".
Die vierte Farbe
Vergleicht man die Gemälde der Zeit Charles II. dann hatten seine Hunde nur drei Farben:
braun-weiß, schwarz-weiß und dreifarbig.
Der erste Nachweis eines Tricolor ist eine Anzeige in der "Londoner Gazette" vom
Oktober 1667. Da heißt es: "Verschwunden ist in Dean`s Yard, Westminster, am 25
Oktober, ein junger weißer Spaniel von etwa sechs Monaten. Er hat einen schwarzen Kopf,
rote Augenbrauen und einen schwarzen Fleck auf dem Rücken. Er gehört seiner Hoheit
Prinz Rupert. Wer ihn zurückbringen kann, erhält eine Belohnung."
Im Jahr 1750 erwähnt der französische Naturforscher Comte de Buffon, daß die Engländer
einen schwarzen Spaniel, genannt Gredius haben, und "Pyrame" nennt er einen Gredius, der
"Feuermarken" hat, d,h. gelbbraune Markierungen über den Augen, an der Schnauze, dem
Hals, den Beinen, was der Beschreibung eines heutigen Black&tan schon sehr nahe kommt.
Trotz dieser sicher korrekten Beschreibung ist nicht auszuschließen, daß der Black&tan
durch Kreuzung eines kleinen lockigen Wasserspaniels mit anderen Toy-Spaniels entstanden
ist.
Und zum Blenheim, der so beliebten weiß-roten
Farbvariante, gibt es überhaupt nur eine Legende
als Erklärung, aber eine sehr ergreifende: Der
Blenheim ist benannt nach John Churchill,
1. Herzog von Marlborough - auch ein Fan von
Züchtern dieser kleinen Spaniels. Er soll seinen
Lieblingshund 1704 bei der Schlacht von Blen-
heim (dem bayr.Blindheim) bei sich gehabt haben.
Die Legende berichtet, daß Herzogin Sarah
zuhause in England ängstlich auf Nachricht von
ihrem Mann wartete, und in ihrer Nervosität beim
Teekränzchen ihren Daumen auf die Stirn ihrer
Hündin preßte, die auf ihrem Schoß lag. Als diese
Hündin kurz darauf ihre Welpen zur Welt brachte,
hatten alle eine Markierung in der Größe ihres
Daumens auf der Stirn...
Neue Mode - neuer Hund
Mit dem Tot von Charles II. kamen "Charlies" in London schlagartig aus der Mode. William
und Mary, die neuen Herrscher, bevorzugten Möpse. Nur der Landadel blieb seinen kleinen
Spaniels noch lange treu. Es gab außer dem Blenheim sogar noch eine weitere züchterische
Entwicklung:1850 wurden der Herzog und die Herzogin von Cumberland mit ihrem Ruby
gemalt, dem ersten bekannten vollständig roten "Charlie", ohne jedes Weiß. Aber da war
der Begleiter des Königs bereits ein seltener Hund. Dem Modetrend folgend, hatten Züchter
begonnen, den Toy-Spaniel mit dem Japan-Chin oder, was viel warscheinlicher ist, mit dem
Mops zu kreuzen. Das Ergebnis war ein neuer Hund mit puppigerem Rundkopf und extrem
kurzer Mops-Nase - der heutige King-Spaniel.
Zu Beginn unseres Jahrhunderts wurde gar nichts anderes mehr gezüchtet. Den alten"Charlie"
gab es nicht mehr, ja, er war so vollständig verschwunden, daß sogar der Name "Charlie" auf
den neuen kurznasigen Hund übergingen - und niemand störte sich daran.
Ein Retter aus Amerika
Ausgerechnet einem reichen Amerikaner ist es zu verdanken, daß dieser so englische kleine
Spaniel gerettet wurde. Mr. Roswell Eldridge überquerte 1926 den Atlantik, um in England
mindestens einen dieser kleinen zauberhaften Spaniels zu erwerben, die er von so vielen Ge-
mälden kannte. Aber er fand keinen. Den Hund gab es nicht mehr. Und den neuen, mops-
gesichtigen King-Charles-Spaniel fand Mr. Eldridge so entsetzlich, daß er auf die Dauer von
fünf Jahren auf der jährlichen Cruft`s Dog Show einen Preis von 25 engl. Pfund für den besten
Rüden und die beste Hündin eines Blenheim-Spaniels von guten alten Typ aussetzte.
25 Pfund waren damals erheblich mehr Geld
als heute. Auf jeden Fall war diese Prämie ein
Denkanstoß an die Züchter, der wirkte.
Eine Handvoll Züchter schloß sich zusammen,
mit dem Ziel, den alten Typ des alten Toy-
Spaniels wiederzubeleben. Es war keine leichte
Aufgabe und erforderte viel Engagement von
den Beteiligten. Da so gut wie keine langnasigen
Toy-Spaniels mehr fielen, kauften sie alle
King-Charles-Spaniel auf, die wegen ihrer nicht ganz korrekten Nase in der Zucht unerwünscht
waren. Es wird angenommen, daß die hängeohrige Variante des kontinentalen Zwergspaniels,
der Phalene, eingekreuzt wurde, um die gewünschte lange Nase und den flachen Kopf schneller
zurückzubringen. Verraten haben die Züchter ihr "Rezept" nie. Doch es spricht fast mehr für
eine Rückkreuzung mit kleinen Cockern, da der Phalene in England kaum bekannt war, und
der moderne Cavalier deutlich größer und schwerer ist, als der King-Charles-Spaniel.
Zum Glück nicht Mode
Der alte Name King-Charles-Spaniel sollte irgendwie für den alten, neuen Hund erhalten
bleiben. So nannten sie ihn 1928 bei der Clubgründung "Cavalier-King-Charles-Spaniel". An-
erkannt als eigene Rasse wurde der Cavalier aber erst 1945 vom Englischen Kennel Club.
1946 wurden ganze 10 Cavalier-King-Charles-Spaniel beim Englischen Kennel Club einge-
tragen. 1947 waren es schon 181. Von da an stieg die Zahl langsam aber stetig an.
Auch in Deutschland müssen sich ziemlich schnell Freunde für diesen Toy-Spaniel gefunden
haben, denn als der Verband Deutscher Kleinhundezuchter 1955 die Zuchtbücher vom VDH
übernahm, waren bereits Cavaliere eingetragen.
Angenehme Begleithunde
Die kleinen Spaniels sind nach wie vor ausgesprochen angenehme Begleithunde. Sie sind
zärtlich, anhänglich und verschmust. In der Wohnung sind sie ruhig, sie lieben jedoch ihre
Spaziergänge und Spiele im Garten. Ideal für
ältere Menschen, die gerne spazierengehen,
passen sie sich genausogut sportlichen Men-
schen ebenso wie Familien mit Kindern an.
Mit Kindern vertraut, sind sie ausgesprochen
kinderlieb und gutmütig, vorausgesetzt, die
Eltern führen Kind und Hund verständnisvoll
aneinander heran und der Hund hat die
Möglichkeit, zu aufdringlichen Kinderhänden auszuweichen. Friedlich im Umgang mit Art-
genossen kann man sie sehr gut zu mehreren halten, was gerade bei den hübschen Farb-
varianten Spaß macht.
Cavaliere sind wachsam, aber nicht agressiv und bellen relativ wenig. Auch Anfänger in
Sachen Hundehaltung werden am kleinen Cavalier-King-Charles-Spaniel Freude haben, denn
er läßt sich leicht erziehen und lernt gerne. Gelegentlich, aber eher selten, bricht hie und da das
Jagdhunderbe durch, besonders wenn mehrere zusammen frei laufen.
Beim gut erzogenen, anhänglichen Einzelhund dürfte es keine Schwierigkeiten geben, denn er
neigt nicht zum Streunen oder Losziehen auf eigene Faust.